Mittwoch, 21. Juni 2017

Tarifstrukturen in der Krankenversicherung

Die Grünliberalen bedauern, dass der Bundesrat zum zweiten Mal nach Einführung seiner subsidiären Kompetenz im Jahr 2013 diese am TARMED-Tarif anwenden muss. Sie haben aber Verständnis dafür, dass die heutige Tarifsituation ein sofortiges Handeln erfordert. Entweder wird durch den Eingriff ein Umdenken bei den Tarifpartnern FMH, H+, curafutura und santésuisse erreicht oder die Tarifsituation im ambulanten Arzttarif wird in Richtung Staatsmedizin und Globalbudget gehen, wofür die Grünliberalen kein Verständnis hätten.

Der seit Jahren bestehende Revisionsbedarf der TARMED-Tarifstruktur wird nirgendwo bestritten, doch scheint diese Erkenntnis trotzdem weder bei den Ärzten noch bei den Krankenversicherern dazu zu führen, eine echte Tarifpartnerschaft zu leben, um die Tarifstruktur in sich wieder sachgerecht werden zu lassen. Seit Inkrafttreten 2004 ist keine umfassende und kostenbasierte Revision des Tarifes gelungen.

In der Zwischenzeit steigen die Kosten im ambulanten Bereich immer stärker an. Der spitalambulante Bereich boomt, da vermehrt das Konzept ambulant vor stationär umgesetzt wird. Leistungen wie beispielsweise Kataraktoperationen oder kleinere operative Eingriffe sind zwar allgemein als übertarifiert anerkannt, doch kann und will niemand etwas dagegen unternehmen. Dem Bundesrat fehlte bis zum Jahr 2013 die gesetzliche Le-gitimation, um eingreifen zu können. Wenn eine Behandlung, die nur wenige Minuten dauert, für den Leistungserbringer mehrere tausend Franken generiert, dann darf das nicht von der obligatorischen Krankenversicherung bezahlt werden. Ganze Geschäftsmodelle bauen auf diese Fehltarifierungen auf. Weil die Gewinnspannen in diesem Bereich enorm sind, bauen ausländischen Investoren neue Infrastrukturen. Diese werden dann auf Kosten der Solidargemeinschaft betrieben.

Auf der anderen Seite stehen in den Agglomerationen und ländlichen Gebieten Hausarztpraxen leer und können nicht mehr besetzt werden, obwohl an sich auch hier ein hoher finanzieller Anreiz besteht. Dieser wird aber von den noch viel höheren Einnahmemöglichkeiten der Spezialistentätigkeiten massiv überboten. Grund für die Einkommensschere ist die heutige fehlerhafte Tarifierung und die unterschiedliche Gewichtung von Generalisten- und Spezialistenleistungen im TARMED, die in den Köpfen aller Beteiligten schon fast als «naturgegeben» verankert ist. Dabei ist sie einzig der früheren verlängerten Ausbildungszeit respektive dem geringeren Verdienst in diesen Ausbildungsjahren geschuldet. Beide Faktoren treffen heute – nach der Reform des Medizinalberufegesetzes im Jahr 2009 und wegen der vergleichsweise hohen Einkommen der Assistenzärzte in Spitälern – nicht mehr zu. Hier wurde im Verordnungsentwurf, eine Korrektur vorgenommen, die begrüssenswert und sachlogisch ist. Sie wird dazu führen, dass das Gleichgewicht zwischen den Einkommen der verschiedenen Fachspezifikationen wiederhergestellt wird und die intellektuellen Leistungen aufgewertet werden.