Für eine chancenorientierte Digitalisierung

Die dynamische Verbreitung der Digitalisierung in alle Bereiche unserer Gesellschaft erfordert von der Politik eine Haltung bezüglich ihrer Auswirkungen, Chancen und Risiken. Wir Grünliberalen wollen die Chancen der Digitalisierung nutzen und Positionen einnehmen, um sie für unsere Umwelt, Wirtschaft und freie Gesellschaft positiv einzusetzen. Im Zentrum stehen dabei Effizienzgewinne, Wissenssymmetrie und Wissensdemokratisierung, Forschungssprünge, die Neuverteilung von Wertschöpfungsketten, die Sicherung des Wettbewerbs auf funktionierenden Märkten und der Digitale Staat. Nachfolgend wird auf die einzelnen Punkte eingegangen und gegebenenfalls bestehende Defizite genannt und Forderungen formuliert.

Die Erkennung und Anerkennung von verknüpften Risiken ist gleichermassen unsere politische Aufgabe, insbesondere wenn diese unsere Grundwerte, Demokratie und Institutionen betrifft. In einem zweiten Abschnitt wird deshalb auf die vorrangigen Risiken in Bezug auf Demokratie und Gewalt im Netz, Sicherheit, Privatsphäre und Arbeitsmarkt eingegangen.

Diese Gegenüberstellung hat nicht den Anspruch auf Vollständigkeit, weder in Bezug auf die einzelnen Themenbereiche noch auf die Behandlungstiefe. Vielmehr soll sie die Grundhaltung der Grünliberalen gegenüber einer vorwiegend mit Chancen verbundenen Digitalisierung widerspiegeln.

Ein dritter Abschnitt tangiert die aktuelle Regulierungssituation in der Schweiz und das einhergehende Spannungsverhältnis mit ausländischer Regulierung. Einzelne Regulierungsvorhaben im In- und Ausland werden fortlaufend in Anhängen behandelt.

1. Die Chancen der Digitalisierung

Die Digitalisierung hat unsere Gesellschaft und Wirtschaft umgewälzt. Überholt ist die Frage, ob wir die Digitalisierung akzeptieren, denn dies ist schon lange der Fall. Vielmehr müssen wir uns mit der Frage auseinandersetzen, wie wir sie einsetzen wollen, damit der Mensch und unsere Umwelt einen möglichst hohen Nutzen davon haben. Gleichzeitig tragen wir die Verantwortung dafür, Risiken der Digitalisierung zu benennen und zu mitigieren.


Digitalisierung ist nicht per se gut oder schlecht, sondern die Art und Weise, wie wir sie einsetzen, bestimmt über Chancen und Risiken. Wir Grünliberalen sehen in der Digitalisierung in erster Linie eine Chance. Wir unterwerfen uns ihr nicht, sondern setzen sie bewusst ein für eine positive Veränderung der Gesellschaft, eine Fortführung unseres Wohlstands und eine technologiegetriebene Umweltpolitik. Wir können uns der digitalen Transformation nicht entziehen, aber wir können aktiv steuern, wofür wir sie einsetzen und wie wir den Menschen ins Zentrum dieser Transformation setzen.


Digitalisierung ist eine Transversaltechnologie. Darunter verstehen wir eine Technologie, die andere Industrien als die eigene bedient, inkl. der Forschung. Sie fördert die Innovation und den Fortschritt in vielen für die Schweiz kritischen Sektoren, wie etwa die Maschinenindustrie oder die Finanzbranche. In vielen Bereichen wird das Potential der Digitalisierung nicht ausgeschöpft, etwa im Gesundheitsbereich, der Agrarindustrie oder bei der Energieeffizienz. Auch der Staat nutzt die Möglichkeiten der Digitalisierung noch zu wenig.


In der Bevölkerung resp. unter Konsumentinnen und Konsumenten geniessen digitale Endprodukte und Dienstleistungen, etwa Apps, Kommunikationskanäle, Social Media oder Streaming Angebote eine hohe Akzeptanz. Sie bieten einen konkreten und direkten Nutzen im Alltag und sind deshalb sehr verbreitet. Nahezu 90 Prozent der Bevölkerung nutzen digitale Angebote resp. das Internet täglich, 98 Prozent besitzen ein mobiles Endgerät.


Digitalbasierte, disruptive Geschäftsmodelle hinterfragen traditionelle Geschäftsmodelle und brechen bestehende Wertschöpfungsketten auf. Dies bewegt regelmässig den Gesetzgeber dazu, protektionistische Regulierungen zur Abwehr dieser neuen Geschäftsmodelle zu erlassen. Wir Grünliberalen lehnen einen solchen Strukturerhalt ab. Richtig eingesetzt kann die Digitalisierung den Strukturwandel zum Vorteil der Schweiz fördern. Wir wollen deshalb unseren Innovationsstandort stärken und dafür sorgen, dass die Wertschöpfung aus digitalen Geschäftsmodellen zunimmt und in der Schweiz stattfindet.

1.1 Effizienzgewinne

Seit der Industrialisierung stellt die Digitalisierung das grösste Potential für Effizienzgewinne dar. Noch stehen wir am Anfang der digitalen Transformation, aber der Nutzen von digitalen Produkten und Dienstleistungen sind im Alltag schon klar erkennbar. Der genannte Gewinn an Wissenssymmetrie ist nur einer davon – Navigations-, Analyse-, Steuerungsapplikationen oder Instrumente der virtuellen Zusammenarbeit sind aufgrund ihres überwältigenden Nutzens von Menschen und Unternehmen adoptiert.

 

Noch ist das Potential für Effizienzgewinne nicht ausgeschöpft: Etwa bei der effizienten Steuerung des Energieverbrauchs und der damit verbundenen Bekämpfung des Klimawandels kann die Digitalisierung uns wesentlich voranbringen. Auch im Gesundheitswesen oder in der Landwirtschaft sind die Möglichkeiten nicht ansatzweise ausgeschöpft. Wir Grünliberalen wollen, dass brachliegende Effizienzgewinne, insbesondere zu Gunsten der Umwelt und der Gesellschaft, aktiv vorangetrieben werden.

1.2 Gewinn an Wissenssymmetrie und Wissensverbreitung

Das moderne Internet wurde im Wesentlichen dafür erfunden, Wissen zu teilen und zu veröffentlichen. Dessen Verbreitung hat einen - seit der Erfindung des Buchdrucks nie dagewesenen – Zugang zu Wissen ermöglicht. Mit dem Aufbau von weltumspannenden Suchmaschinen wird praktisch jede Information zugänglich gemacht und hat auch bildungsfernen Gesellschaften der Welt die Chance gegeben, sich zu informieren. Damit hat sich die Wissenssymmetrie erheblich gesteigert: zwischen Bürgern und Staat, zwischen Konsumentinnen und Unternehmen, aber auch zwischen den Ländern und Gesellschaften der Welt. Mit der gewonnenen Transparenz wird der Mensch gegenüber den Institutionen und Unternehmen gestärkt, und damit auch die Gesellschaft.

1.3 Information und Demokratie

Mit dem allgemeinen und einfachen Zugang zu Wissen und Informationen und der Verbreitung von Social Media und Informationsplattformen hat sich die Hoheit über Information, aber auch die Möglichkeit der Meinungsbeeinflussung, verteilt. Jede und jeder kann auf Plattformen eigene Themenschwerpunkte setzen, Inhalte kommunizieren und verbreiten. Es herrscht somit ein grösserer Informationswettbewerb und eine Demokratisierung der Meinungsverbreitung.

 

Dies bedeutet einerseits die Chance auf mehr Partizipation der Bürgerinnen und Bürger, auf ein vielfältigeres Nachrichtenangebot über mehr Kanäle und den verbesserten Zugang zu Informationen. Zugleich zeigen aber Studien, dass das Vertrauen in die Institutionen sinken kann und Polarisierung und Populismus wachsen können.

 

Deshalb braucht es für eine kritische Würdigung und verantwortungsvolle Verbreitung von Information im Netz erhöhte Digitalkompetenzen und Verständnis für die Funktionsweise der digitalen Wissensverbreitung. Wir Grünliberalen sehen in der Förderung von «Digital Literacy», angefangen im Grundschulalter bis in alle Altersstufen hinein, ein Schlüsselelement für eine nachhaltige Digitalisierung. Zudem sind Medienvielfalt, Qualitätsjournalismus und regionale Medien zentral für eine direkte, föderale und mehrsprachige Demokratie wie die Schweiz.

1.4 Forschungssprünge

Die Schweiz ist ein Forschungs- und Innovationsland. Die Forschung ist heute massgeblich auf Digitalisierung, Big Data und Robotik angewiesen. Ein eindrückliches Beispiel dafür sind die mit spektakulärer Geschwindigkeit entwickelten Covid-Impfungen. Weitere Quantensprünge bei der Therapierung von Krankheiten, der Bekämpfung des Klimawandels oder der Rettung der Biodiversität wären möglich, doch dafür ist eine gezielte Förderung der Forschung, die Schaffung von Datenräumen und die Standardisierung von Daten notwendig. Europa investiert derzeit Milliarden in die Digitalisierung, derweil die Schweiz von Horizon ausgeschlossen ist. Wollen wir unseren Forschungsstandort erhalten und stärken, müssen wir alles daransetzen, den Anschluss nicht zu verpassen.

1.5 Aufbrechen von Wertschöpfungsketten

Mit neuen Geschäftsmodellen hat die Digitalisierung viele angestammte Wirtschaftszweige durcheinandergebracht. Von der Reise- und Transportindustrie über den Finanzsektor bis hin zur Medienbranche wurden traditionelle Wertschöpfungsketten aufgebrochen und neu verteilt. Diesen Strukturwandel wollen wir Grünliberalen nicht aufhalten, sondern in den Dienst der Konsumentin und des Konsumenten stellen. Transparenzgewinne, Preissenkungen und neue Geschäftsopportunitäten sind grundsätzlich zu begrüssen. Die gezielte Förderung von Forschung und Schaffung attraktiver Rahmenbedingungen für die Entwicklung innovativer und skalierbarer Geschäftsmodelle sollen dazu beitragen, dass die Schweiz von diesem Strukturwandel profitieren kann und die Wertschöpfung hierzulande stattfindet.

 

Gleichzeitig führen diese Verschiebungen teilweise zur Wertschöpfungskonzentration auf einzelne Unternehmen und damit Tendenzen zu Monopol- resp. Oligopolbildungen. Regulatorische Grundsätze zum Erhalt des Wettbewerbs und zur Vermeidung von Monopolbildungen sind zu respektieren.

1.6 Der Digitale Staat

Bei der Bundesverwaltung und den kantonalen Verwaltungen herrscht ein grosser Nachholbedarf in Bezug auf den Einsatz von digitalen Hilfsmitteln. Die archaische Arbeitsweise der Bundesverwaltung wurde im Kontext der Covid-Pandemie aufgedeckt. Auch wenn der Handlungsbedarf in vielerlei Hinsicht erkannt und anerkannt wurde, ist der Fortschritt schleppend. Wir Grünliberalen fordern den Staat auf sämtlichen Ebenen auf, über Departements- und Kantonsgrenzen hinweg, zu Gunsten und zum Schutz der Einwohnerinnen und Einwohner der Schweiz der digitalen Transformation die Aufmerksamkeit zu schenken, die sie verdient. Dazu gehören die Überprüfung und Überarbeitung der Prozesse, die Etablierung von Standards bei Datenformaten, die Implementierung notwendiger Datenanalysen, die Verankerung des Prinzips «Digital First» und «Once Only» und, allem voran, die Weiterbildung des Personals und die Anreizsetzung zur Zusammenarbeit und Ausschöpfung des digitalen Potentials.

 

Die sich in Entwicklung befindende elektronische Identität («E-ID») wird diese Prinzipien und die Interaktion zwischen Staat und Bürger vereinfachen und verbessern. Sie soll so konzipiert werden, dass sie die Vorteile der Digitalisierung und die Verbreitung von digitalen Geschäftsmodellen und Schnittstellen ausschöpft und auch die Interaktion zwischen Wirtschaft und Konsument vereinfacht.

 

Bei ihren digitalen Angeboten im Bereich eGovernment und allgemein bei Investitionen in digitale Infrastruktur resp. die Entwicklung von Software sollen Bundes- und Kantonsverwaltungen fundamentale Grundsätze wie Zugang (accessibility), Open Source (Public Money Public Code) und Netzneutralität berücksichtigen.

2. Risiken

Wie jede andere Technologie hat auch die Digitalisierung Missbrauchspotential. Wir Grünliberalen sehen es als unsere Aufgabe an, Risiken der Digitalisierung zu benennen und den Staat in die Verantwortung zu nehmen.

2.1 Demokratie und Gewalt

Eine der offensichtlichen Kehrseiten der Digitalisierung und deren Möglichkeiten für die Wissensverbreitung ist die Verbreitung von Falschinformationen resp. Fake News oder von Verschwörungstheorien. Mit dem kostenlosen und komfortablen Zugang zu Messengerdiensten, Social Media und Informationsplattformen lassen sich Verschwörungstheorien relativ einfach konzertieren. Manche Behauptungen lassen sich nur schwer entkräften, und mit fortschreitendem Einsatz von Deep Fakes gewinnt das Problem abermals an Bedeutung. Dies bedeutet eine Gefahr für Gesellschaft und Demokratie.

 

Auch mit Verbreitung von Hassbotschaften, Aufruf zu Gewalt oder gar Kinderpornographie bieten digitale Plattformen den Schattenseiten des Menschen Raum, sich zu entfalten. Einer schleichenden Verrohung der Gesellschaft müssen wir entschlossen entgegentreten, und wir machen uns stark für die Eindämmung und Verfolgung von digitaler Gewalt. Wir Grünliberalen lehnen den Mythos ab, wonach Gewalt und strafbares Verhalten im Netz nicht zu bekämpfen seien. Wir fordern die Koordination von kantonsübergreifenden Strafverfolgungsmassnahmen und die Schulung der Behörden, nötigenfalls in Zusammenarbeit mit den Plattformen selbst.

2.2 Sicherheit

Cyberkriminalität und Cyberkrieg gefährdet unsere Wirtschaft und unsere Sicherheit. Sicherheitslücken im Netz machen unsere Unternehmen, ihre Mitarbeitenden und Kundinnen und Kunden angreif- und verletzbar. Aber auch die Versorgungssicherheit unseres Landes kann gefährdet sein, wenn unsere kritische Infrastruktur unzureichend vor Angriffen geschützt ist. Die Zusammenarbeit mit Ländern unserer Wertegemeinschaft sowie eine ausreichende Ausstattung der Landesverteidigung mit finanziellen und personellen Cyberressourcen müssen vollumfängliche Bestandteile sein unserer Rüstungs- und Verteidigungsstrategie. Derweil wir den Schutz der einzelnen Unternehmen als Aufgabe der Wirtschaft betrachtet, erwarten wir Grünliberalen eine partnerschaftliche Zusammenarbeit und ein Wissensaustausch zwischen Wirtschaft, Staat und Forschung zur Vermeidung und Bekämpfung von Cyberangriffen. Die Schaffung eines dedizierten Bundesamts für das National Cyber Security Centre (NCSC) begrüssen wir.

2.3 Privatsphäre

Wir anerkennen das Recht des Menschen auf Privatsphäre, auch wenn sie nicht dieselbe sein wird, wie die vergangener Generationen. Datengetriebene Modelle erfordern die Sammlung und Analyse von Daten, gegebenenfalls persönlichen Daten. Nutzerinnen und Nutzer müssen jederzeit in der Lage sein zu erkennen, welche Daten über sie gesammelt werden und wofür sie genutzt werden. Für uns Grünliberalen ist die Erhöhung der Transparenz in Zusammenhang mit dem Einsatz von Algorithmen ein Anliegen. Während die Offenlegung aller Algorithmen weder zielführend noch mit der Wirtschaftsfreiheit zu vereinbaren wäre, sind spezifische Fragen rund um den Einsatz, die Funktionsweise, den Zweck und die Datenbasis von Algorithmen transparent zu machen. Wir Grünliberalen unterstützen auch die Forderung nach Recht auf Löschung von persönlichen Daten.

 

Was in Bezug auf Unternehmen gilt, gilt besonders gegenüber dem Staat. Dieser soll bei der Sammlung von Daten zurückhaltend sein und Menschen in der Schweiz auch vor digitalen Übergriffen anderer Staaten schützen. Anlasslose und dauernde Massenüberwachung lehnen wir aufs Schärfste ab. Gezielte Ermittlungen im Netz erfordern eine sorgfältige Güterabwägung, müssen verhältnismässig sein und rechtsstaatliche Prinzipien respektieren.

2.4 Arbeitsmarkt- und Fachkräftemangel

Für die Bewältigung des bevorstehenden Strukturwandels und den Erhalt unseres Wohlstands ist die Aus- und kontinuierliche Weiterbildung der Menschen von zentraler Bedeutung. «Digital Literacy» bildet ein Schlüsselelement des lebenslangen Lernens. Die Grundschule hat diesbezüglich einen hohen Nachholbedarf und vermittelt mit dem Lehrplan 21 nur sehr basale Digitalkompetenzen. Jugendliche fühlen sich mehrheitlich nicht in der Lage, Informationen im Netz auf ihren Gehalt zu bewerten, und die Bevölkerung in der Schweiz über alle Altersklassen fühlt sich nicht in der Lage, sich gegebenenfalls gegen digitale Gewalt zu wehren. Wir Grünliberalen fordern eine Beschleunigung bei der Vermittlung von digitalen Kompetenzen, und zwar nicht nur an den Schulen, sondern an den Pädagogischen Hochschulen resp. bei der Ausbildung von Lehrpersonen.

 

Der Fachkräftemangel spitzt sich in der Schweiz mit jedem Jahr zu. Besonders betroffen ist die Digitalbranche, die bereits heute wegen fehlenden Spezialistinnen und Spezialisten an ihre Wachstumsgrenze stösst. Wenn die Schweiz ihren Platz als Innovationschampion erhalten und zur Digitalnation werden will, muss sie in ihren eigenen Talentpool investieren. Der Mangel an Cyberspezialisten kann mittelfristig auch zu einem Risiko für unsere Landesverteidigung, kritische Infrastruktur und Wirtschaft werden, wenn die Systeme nicht kontinuierlich den neuesten Cyberbedrohungen angepasst werden können. Während Jugendliche in manchen Europäischen Ländern nach Abschluss der obligatorischen Schulzeit bereits programmieren können, haben unsere Schülerinnen und Schüler einen Nachteil. Auch diesbezüglich wünschen wir ein Umdenken in der Schule und eine angemessene Vorbereitung unserer Kinder und Jugendlichen auf die Berufsbilder der Zukunft.

 

Mit der Digitalisierung der Arbeitswelt hat das Bedürfnis nach selbstbestimmten Arbeiten zugenommen. Die Vereinbarkeit von Beruf und Privatleben ist dabei ein wichtiger Aspekt. Flexibles Arbeiten in Bezug auf Ort, Zeit und Inhalt der Arbeitsleistung und damit die Selbstbestimmung des Arbeitsstatus muss ermöglicht werden. Für disruptive Arbeitsmodelle, die die Grenze zwischen Selbständigkeit und Unselbständigkeit verwischen, muss der Staat Rahmenbedingungen schaffen, die die Sozialversicherung jeder und jedes Einzelnen sicherstellt.

3. Regulierung

Die Schweiz hat sich, zu Recht, mit schnellen regulatorischen Eingriffen bei der Digitalisierung zurückgehalten. Manche Handlungsfelder hat der Bundesrat erkannt, andere wurden vom Parlament eingeleitet. Im Zentrum stehen ein zeitgemässes Datenschutzgesetz, die Ausstattung eines Eidgenössischen Datenschutzbeauftragten mit ausreichenden Ressourcen sowie die Formulierung von neuen Straftatbeständen im Internet.

 

Bedenken rund um den Einsatz von Künstlicher Intelligenz (KI) haben bislang zu keiner überbordenden Regulierung in der Schweiz geführt, was wir begrüssen. Im Bewusstsein, dass gewisse KI-Anwendungen mittelfristig zu Regulierungsbedarf führen könnte – wie bspw. bei menschenrechtsrelevanten Auswüchsen der KI, wie autonomen Waffen –, ist der bewährte Ansatz der technologieneutralen Regulierung zu beobachten. So sollen, wenn immer möglich, unerwünschte Ergebnisse oder Schäden und nicht einzelne Anwendungen oder Technologien Gegenstand von Vorschriften sein. Es ist denkbar, dass sich die Schweiz aufgrund ihrer ausgewogenen und technologieneutralen Regulierung zu einem internationalen Standort für die Entwicklung von ethischer und nachhaltiger Künstlicher Intelligenz entwickeln könnte, weshalb wir vom Bundesrat ein grösseres Interesse für diese Frage wünschen.

 

Die Europäische Kommission führt derzeit mit beeindruckendem Tempo neue Vorschriften zur Regulierung von Digitalisierung ein. Besonders zu erwähnen ist der Digital Markets Act, der grosse Technologieanbieter mit Gatekeepercharakter zur Gleichbehandlung von Drittanbieter verpflichtet. Ausserdem der Digital Services Act, der grosse Plattformen zur Regulierung von Inhalten verpflichtet. Oder aber die sog. Chatkontrolle, die Anbieter von Messengerdiensten zur Dauerüberwachung ihrer Nutzer verpflichtet. Aber auch die USA haben mit dem Cloud Act Fragen aufgeworfen, die zur Rechtsunsicherheit führen. Der extraterritoriale Effekt der Digitalregulierung hat zur Folge, dass ausländische Regulierung in gewissen Fällen auf Personen und Unternehmen in der Schweiz anwendbar ist. Bisweilen führt sie sogar zu Konflikten zwischen ausländischen und dem Schweizer Recht. Wir Grünliberalen fordern, dass diese Konfliktfelder angegangen und rasch gelöst werden, um Rechtssicherheit zu schaffen.

Hier kannst Du das «Fraktionspapier Digitalisierung» herunterladen!